Vorwort
Die Linksjugend Solid Hamburg hat sich an der Hervorbringung von Protestaktivitäten gegen das NATO-Manöver „Red Storm Bravo“ beteiligt. Dafür waren wir Teil des Bündnisses „Kein NATO Hafen“. Wir haben uns daran beteiligt, die Kundgebung „Hamburg pfeift aufs Militär“ am 25.09. zu gestalten, sowie initiiert und dann auch hauptverantwortlich die Demonstration „Nein zur NATO Übung Red Storm Bravo – Ja zur zivilen Entwicklung“ am 27.09. gestaltet und organisiert. Hinzu kamen zahlreiche Infotische, weitere Protestaktivitäten und eine Pressekonferenz. Im Folgenden wollen wir davon berichten und überzeugen, sich aus der Passivität zu befreien und heiter, solidarisch und aufrecht in die Kämpfe einzumischen.
1. Hamburg als Friedenskategorie
Ist Berlin die Hauptstadt des Deutschen Reiches, so ist Hamburg die Hauptstadt des deutschen Sozialismus.
Vom 25. Bis zum 29. September wollte die NATO und die Bundeswehr mit dem Manöver „Red Storm Bravo“ austesten, inwieweit die Hamburger Zivilbevölkerung sich der Propaganda der Kriegstüchtigkeit untergeordnet hat. Genauer gesagt zu testen, inwieweit wir bereit wären einen NATO geführten Krieg gegen Russland mitzumachen. Hierfür sollten mehrere Tage lang Militärkolonnen das Stadtbild dominieren. Krankenhäuser ihre Funktionsfähigkeit als erweiterte Feldlazarette unter Beweis stellen, an Schulen Luftschutzübungen durchgeführt werden, Arbeitsämter proben ausfallende Arbeitskräfte für „lebens- und verteidigungsrelevante Konzerne zu ersetzen und die Bezirksämter zur Unterstützung der Militärlogistik herangezogen werden.
Hamburg ist tradierte Hochburg der Friedensbewegung und die Linksjugend Solid Hamburg hat heute einen relevanten Anteil daran. Insofern gilt, wenn die NATO ihr Test in Hamburg gelingt, gelingt er auch bundesweit. Insofern gilt allerdings auch, wenn in Hamburg gelingt in neuer Dynamik Friedensbewegung aufzubauen, gelingt das auch bundesweit. Für uns war insofern von Anfang an klar: Die sollen uns erstmal kennen lernen! Wir sind nicht kriegstüchtig, sagen zur NATO Nein und Ja zur zivilen Entwicklung! Nach einer gelungenen, lebensfrohen und kämpferischen Friedensaktionswoche gegen das Manöver lässt sich sagen: Es ist gelungen.
2. „Sag Nein!“ oder „wir sind richtig„
Ihr seid die Zukunft! Euer das Land! Schüttelt es ab, das Knechtschaftsband! Wenn ihr nur wollt, seid ihr alle frei! Euer Wille geschehe! Seid nicht mehr dabei! Wenn ihr nur wollt: bei euch steht der Sieg! - Nie wieder Krieg - !
Der Krieg kann nur geführt werden, wenn die Bevölkerung ihn mitmacht. Wiederum gilt dann auch, dass wir weitreichend in der Hand haben die Ursachen aller Kriege zu überwinden, bevor es zum nächsten Großen kommt. Diese Erkenntnis ließ sich hochwirksam in den Protestaktivitäten gegen Red Strom Bravo von der Theorie in die Praxis umsetzen.
Da für den Krieg alle gesellschaftlichen Bereiche militarisiert werden sollen, insofern jeder gebraucht wird, hat jedes Nein zu diesen Plänen eine unmittelbar friedensstiftende Bedeutung. Es ist ein entscheidendes Ja zur Verwirklichung einer zivilen, am Menschen orientierten Entwicklungsperspektive. Das heißt Ja für solidarisches und freudvolles Lernen in den Schulen, produktive Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums weltweit, allseitige Heilung in den Krankenhäusern der Stadt, Aufklärung und emanzipatorische Entfaltung in den Kunst – und Kultureinrichtungen und Schaffung guter sozialer und kultureller Lebensbedingungen in den öffentlichen Ämtern und Einrichtungen der Stadt.
Mit dieser Orientierung ist gelungen, dass sich ein großer Teil linker Gewerkschafter aus allen großen Gewerkschaften sich an den Protesten beteiligt. Bis dahin, dass innerhalb der GEW Hamburg finanzielle Unterstützung beschlossen wurde, die ver.di Jugend offiziell Teil des Bündnisses Kein-NATO-Hafen geworden ist. Auf der Demo haben aus (nicht für, dafür haben wir allerdings massiv neue Grundlagen und Perspektive geschaffen) der GEW, der ver.di und der IGM, Gewerkschafter gesprochen. Endlich ist es gelungen, dass sich größere Teile der Gewerkschaften für den Kampf gegen die Kriegstreiberei der NATO und der damit verbundenen Ausrichtung der jeweiligen Arbeit auf humane Zwecke anschließen!
Mit den verschiedenen Gruppen der Friedensbewegung ist uns in Einheit damit ein entscheidender strategischer Schritt gelungen. Seit dem Wegfall der Systemalternative 1989 und nochmal gesteigert mit der Eskalation des Ukraine-Krieges hat die Friedensbewegung weitreichend aufgegeben für eine Entwicklung über kapitalistische Verhältnisse hinaus zu streiten. Mit schwerwiegenden Folgen: Im Wesentlichen wurde sich kontinuierlich der Hegemonie und Ideologie der Kriegstreiber untergeordnet, dass Pazifismus eine schwache, minderwertige oder egoistische Position sei, also peinlich ihn selbstbewusst zu vertreten. Dem folgend wurde Frieden nur noch als heeres Ideal, eines Zustandes, in dem sich alle harmonisch liebhaben, vertreten. Wirksam ist man damit nicht, aber wenigstens moralisch anerkannt.
Uns ist entscheidend gelungen neu zu verallgemeinern, dass man mit einer kämpferisch pazifistischen Haltung fundamental richtig liegt. Das heißt jede Gewalt, jede Degradation nicht akzeptiert und überwinden will, wie auch, dass man den Menschen liebt und für die Verwirklichung umfassend menschlich gestalteter Verhältnisse kämpft. Fundieren kann man das (ist sehr hilfreich) bis dahin nach Marx: „Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie, 1844) und „Es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun“ (Die Internationale).
Die Power die das hat kann man hier anschaulich nachvollziehen (Rolf Beckers Rede und Rezitation von „Dann gibt es nur eins! von Wolfgang Borchert: https://www.youtube.com/watch?v=_01kKaKZxEE
Damit ist auch gelungen, die Haltung, dass man aktuell eh nur kleine Brötchen backen könne zu überwinden. Die Frage ist nicht, wie die Leute vermeintlich bequem und angepasst nur auf sich achtend daher ideologisiert werden. Die Frage ist, wie wir Mentalität und Praxis einer größeren Zahl verändern. Also sie überzeugen, Teil des Kampfes für die längst überfällige Überwindung von Aufrüstung, Militarisierung und Krieg zu werden. Wir waren und sind gesteigert überzeugend!
3. Der Hauptfeind steht im eigenen Land
Die notwendige Haltungsbildung beinhaltet auch die Entwicklung eines positiven Krisenverständnis und adäquate Einschätzung der Ursachen der aktuellen kriegerischen Eskalation. Um hier nicht auszumären in Kürze: Wir haben zu wenig gegen die NATO getan. Eine weitreichende historische Herleitung, wie aktuelle Analyse, die Teil der Qualifizierungs- und Aufklärungsarbeit ist, die wir mit der Demo getan haben findet ihr hier (Rede von Norman Paech auf der Demo):
https://www.youtube.com/watch?v=6AWW4ZJlfGU&t=259s (ansonsten als Text auf seiner Website https://www.norman-paech.de/)
Damit überschreiten wir die bisher problematische einseitige Skandalisierung der Brutalität des Krieges, oder der Schlechtigkeit der Herrschenden. Es geht darum die Ursachen der Kriege, des Elends kritisch zu reflektieren, um sie zu überwinden.
4. Zur Dissidenz und Lebensfreude
Was darf die Satire? Alles.
Da wir richtig liegen, weil wir für humane Verhältnisse streiten darf und muss der Kampf Spaß und Freude machen. Dafür zu überzeugen und zu gewinnen können wir nicht kreativ, dissident und kämpferisch genug sein. Deswegen haben wir auf der Kundgebung „Hamburg pfeift aufs Militär“ das Satirestück „Der Preußenhimmel“ von Kurt Tucholsky aufgeführt. Die Kraft der Satire, die Herrschaft der Überwindbarkeit, das heißt der Erbärmlichkeit, preiszugeben ist unschlagbar. Mit Brecht: „Schönster aller Zweifel aber Wenn die verzagten Geschwächten den Kopf heben und An die Stärke ihrer Unterdrücker Nicht mehr glauben!“ (Lob des Zweifels).
Wenn die Herrschenden mit Wehrpflicht und co. Gehorsam predigen müssen wir umso dissidenter sein. Wenn sie zu Gunsten der Aufrüstung Kultur und Bildung einschränken, umso klüger und kulturvoller. Wenn sie Verzicht und Aufopferung fürs Vaterland predigen, umso anspruchsvoller und lebensfroher. Wenn sie Zurückhaltung predigen, umso kämpferischer. So nehmen wir Verhältnisse, in denen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen überwunden ist als Teil des Kampfes vorweg.
Wir werden gewinnen!