Anlässlich des Jahrestags des Überfalls von Hitler-Deutschland auf Polen am 01.09.1939 wurde am 1. September in ganz Deutschland für Frieden und Abrüstung demonstriert. Wir waren – gemeinsam mit etwa 2000 weiteren Friedensbewegten – in Hamburg auf der Straße.
Die Demo begann am Kriegsklotz, welcher seit einigen Jahren durch ein Denkmal für Deserteure in Konflikt gesetzt ist. Wir zogen dann begleitet von Sprechchören und Redebeiträgen durch die belebte Hamburger Innenstadt zum Gewerkschaftshaus.
Nach Redebeiträgen der DIDF und der SDAJ hielt Marie für das Bündnis “Nein zur Wehrpflicht!”-Hamburg einen Redebeitrag auf Höhe der Mönckebergstraße. Der Redebeitrag kritisierte die kulturelle Einschüchterung und den sozialen Zwang, der auf Jugendliche ausgeübt wird, damit diese zur Bundeswehr gehen. Doch wir machten auch deutlich: Wir haben unsere Zukunft in der Hand, Reichtum für eine zivile Entwicklung ist mehr als genug da und wir haben kraftvolle Vorkämpfer:innen auf die wir uns stützen.
Das Bundeskabinett hat vor kurzem beschlossen die „Neue Wehrpflicht“ einzuführen. Das heißt, angefangen mit dem Geburtsjahrgang 2008, sollen sich junge Männer verpflichtend, alle andern freiwillig, zu Hause selber mustern.
Doch über einiges sollten wir uns dabei keine Illusionen machen. Sich zu Hause selbst zu mustern ist nicht weniger schlimm als bei der Bundeswehr gemustert zu werden, sondern nur anders schlimm. „Bin ich eigentlich stark genug?“, „Könnte ich jemanden töten?“, „Was wenn ich getötet werde?“ Alles fragen die man sich mit gerade einmal 18 Jahren nicht stellen sollte. Stattdessen sollte es darum gehen sich zu fragen „Was begeistert mich?“ „Wie möchte ich damit produktiver Teil einer Gesellschaft sein?“ „Wie soll diese Gesellschaft aussehen?“
Im Anschluss an eine „erfolgreiche“ self-made Musterung steht dann die Eintragung in ein Register bei der Bundeswehr und es soll in den kommenden Monaten auch einen Plan für verpflichtende Musterungen bei der Bundeswehr entstehen.
Und wofür das alles? Auch darüber keinen Funken Illusion: Die Wehrpflicht hat nur zwei Funktionen: Normierung für ein überkommenes Weltbild und Kriegsvorbereitung. Wenn es nach der NATO geht, führen wir spätestens 2029 Krieg mit Russland. Der wird mit Manövern wie Red Storm Bravo und Quadriga 2025 quasi dauerhaft provoziert.
Dazu sagen wir ganz klar: Nicht mit uns! Nicht mit irgendwem! Niemals und nirgendwo!
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht muss als wichtiger Bestandteil der Kriegstüchtigmachung der Bevölkerung verstanden werden und geht uns alle etwas an. Denn, entgegen allen Bemühungen durch Werbung in Schulen, auf Jobmessen, bei Musikfestivals und Volksfesten: zur Bundeswehr will kaum eine Jugendliche oder ein Jugendlicher gehen. Diese Abneigung zum Militärischen ist ein praktisches Lernen aus der Geschichte, aus zwei verheerenden Weltkriegen.
Um diese Lehre zu brechen werden wir tagtäglich damit konfrontiert das wir „schwach“ und „Vaterlandsverräter“ seien, wenn wir nicht zum Militär wollen. Überall, aber insbesondere in den sozialen Medien, wird ein stark-schwach-Gegensatz aufgemacht, durch den wir erzogen werden sollen. Doch eben dieses Bild vom „stark sein“ ist, und das zeigt die Bundeswehr eindringlich, vor allem eines extrem rechts. Überall da wo Befehl und Gehorsam über der Entfaltung einer jeden einzelnen Persönlichkeit gemeinsam mit anderen gesetzt ist leidet der Mensch. Auch das zeigen die Selbstmordraten junger Bundeswehranwärterinnen und Bundeswehranwärter eindrücklich.
Genügend Gründe also nicht zur Bundeswehr zu gehen. Statt gegen die vermeintliche Gefahr im Osten zu kämpfen wollen wir internationale Solidarität üben, einander die Hände reichen. Und ganz ohne das moralisch zu meinen: Soldaten sind Mörder. Das Morden ist ihre einzige Funktion. Eine totale Verschwendung von geistigen und materiellen Kapazitäten. Wir wollen eine Welt des Friedens und der Freiheit errichten und sagen deshalb ganz klar: Kriegsverrat ist Friedenstat.
Anstatt uns also für die Machenschaften der Kriegstreiber der NATO mittels Zwang einspannen zu lassen verraten wir den Krieg auf jeder Ebene. Anstatt uns dem Unterzuordnen, die Menschheit für Geopolitische Machtspiele und Profite in gesteigerte Unproduktivität zu zwingen, kämpfen wir für eine soziale und zivile Wende weltweit. Der Kampf hier, in einem der Epizentren der NATO, jede Verweigerung, jeder Protest hat unmittelbar Bedeutung, diese Wende hervorzubringen.
Anstatt auf unsere Grundrechte, wie es jeder Soldat tun muss zu verzichten, kämpfen wir für die Verwirklichung des Grundgesetzes, wie es 1945 als Konsequenz aus der Befreiung vom Faschismus erkämpft wurde. Das heißt ein Deutschland, ohne Militär und Monopole und einem weitreichend sozialen und demokratisch gestalteten Staat. Der gewaltfreie Staat den die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer damals im Sinn hatten ist immer noch und gesteigert unser Ziel.
Anstatt mittels Zwang und Drill zu lernen auf „den Feind“ zu schießen, schließen wir uns mit den progressiven Bewegungen weltweit zusammen, um das Völker- und Menschenrecht zu verwirklichen. Das heißt die Bedingungen des sozialen Elends weltweit zu überwinden. Reichtum ist genug da. Schon 2024 stellte Oxfam fest das nur 2,9% der Militärausgaben der G7 Staaten ausreichen würde um den Welthunger zu beenden. Inzwischen dürfe es wesentlich weniger als dieser 2,9% bedürfen.
Anstatt uns dem 50er Jahre Menschenbild, “devote Frau am Herd und starker Mann an der Front”, unterzuordnen, kämpfen wir für die Verwirklichung, sozialer, kultureller und politischer Egalität, für aufrechte und aufmüpfige Menschen. Dass die Gelder für Frauenhäuser gestrichen werden um damit noch mehr Männlichkeitskult in der Bundeswehr zu finanzieren ist einfach nur zynisch. Das es der Bundeswehr nicht um Egalität sondern Kanonenfutter geht beweist auch der Umgang mit der Änderung des Geschlechtseintrages. Ändert man seinen Geschlechtseintrag von männlich zu weiblich oder divers weniger als zwei Monate vor oder im Spannungsfall wird diese Änderung nicht berücksichtigt. Denn: Männer braucht die Front, auch wenn der Staat sie selbst herstellen muss.
Wir wollen keine Wehrpflicht und wir wollen auch keinen faulen Kompromiss und Lohndrücker im Zivildienst werden. Sich zwischen der täglichen Brutalität der Bundeswehr und dem täglichen Zwang des Zivildienstes entscheiden zu sollen ist keine Entscheidung, keine Freiwilligkeit sondern nur der Beweis für die Unnachgiebigkeit der Militarisierung. So oder so sollen wir aufopfernd einem Land dienen in welchem die soziale Ungleichheit zugunsten dieses Zwangs verschärft wird. Mehr soziale Kürzungen bedeutet auch mehr Menschen die gezwungen sind sich dem Militarismus unterzuordnen. Wir kämpfen deshalb für gute Arbeitsbedingungen in allen Bereichen. Das heißt selbstverständlich auch: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die Ausfinanzierung von allen Bildungseinrichtungen, ein BAföG für alle und gut bezahlte Ausbildungsplätze mit Übernahmegarantie. All das haben wir in der Hand. Geld dafür ist genug da und wir sind der produktive Teil dieser Gesellschaft.
Deshalb schließt euch uns an für eine lebendige Alternative zu Wehrpflicht und Zwangsdiensten!
Marie, Linksjugend [’solid] Hamburg